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WOHNHAUS IN BLANKENESE

 

Anbau an ein Einfamilienhaus

Fertigstellung 2020

Architekturstudio ANJA RICHTER ARCHITECTS

Sanierung im Bestand ist im besten Fall eine Vervollkommnung

Häuser mit Geschichte haben einen besonderen Charme und bieten gleichzeitig ideale Vorlage für kreative und nachhaltige Weiterentwicklung. Dem sanierten und modernisierten Baubestand gehört die Zukunft.  

Der Anbau an einem eingeschossigen Rotklinkergebäude eines Hamburger Vororts aus dem Jahr 1927 mit Krüppelwalmdach jongliert mit den Möglichkeiten einer Wohnerweiterung und erreicht zudem eine intensivere Nutzung des Gartens.

Der Auftrag zielte auf die Erweiterung des Wohnraumes im Erdgeschoss Richtung des nach Osten abfallenden Geländes. Der Anbau präsentiert sich zum Garten hin als Obergeschoss und schafft neue Räume im Gartengeschoss für Arbeiten und Schlafen. Im Souterrain des historischen Hauses wurde ein Abstellraum in ein großzügiges en-suite Badezimmer verwandelt. So wurden 37qm neue Wohnfläche und zusätzlich großzügige Terrassen im Garten- und Wohngeschoss geschaffen.

Erschlossen war das Grundstück zunächst über die höhere Seite des Hanggrundstückes. Ein neuer Vorbau markiert nun mit einer überdachten Nische vor der originalen Haustür den Eingang. Über eine Treppe gelangt man an der Nordseite des Hauses in den Garten, dessen hohe Kiefern mediterrane Assoziationen aufkommen lassen. Ein einziges 4m hohes vertikales Fenster unterstreicht die Höhe der an dieser Stelle zweigeschossigen Nordfassade des Anbaus.

Von der großzügigen Terrasse im Garten, die in üppiges Grün eingebettet ist, eröffnet sich der Zugang zum Gartengeschoss des Anbaus. Die großflächigen Verglasungen der Ostfassade verbinden Innen- und Außenraum, lenken den Blick ins Grüne und lassen Licht und Jahreszeiten ins Haus. Die Durchblicke schaffen eine Art von dialogischer Verschränkung der Innen- und Außenräume. So wird die reale Nähe zum Naturraum endlich wahrnehmbar und Teil der Wohnerfahrung. 

Eine skulptural modellierte Betontreppe führt vom Arbeitszimmer des Gartengeschosses in einen hellen Wohnraum mit einer weiteren Terrasse. Hier schwebt man geradezu auf der Höhe der Baumkronen und ist versucht, es dem Helden Cosimo von Italo Calvino gleich zu tun und nie wieder einen Schritt auf die Erde zu tun. 

Der Anbau in werthaltiger Holzrahmenbauweise wurde auf einen gedämmten Betonsockel gesetzt. Das Geschoss und die Dachdecke sind als Brettstapeldecke ausgeführt, ein Flachdach bildet den oberen Abschluss. Im Innern bilden schlichte weiß verspachtelte Wände eine Art Bühne für die Lichtspiele der Natur. Breite Schiebetüren verbinden in beiden Geschossen den Anbau mit dem Altbau.

Bleibt das Wohngefühl auch weiterhin geprägt durch den Bezug zum historischen Bau und zur Geschichte des Hauses, wird es gleichzeitig erweitert durch die Klarheit und Linearität der zeitgenössischen Architektursprache. Die emotionale Energie des Baubestandes verbindet sich mit dem modernen Zugriff, der den Kontakt mit dem Außenraum sucht. Alt und neu, Charakter und Transparenz bilden trotz klarer Abgrenzungen durch formale Bezüge eine neue Einheit. Die Kombination zweier unterschiedlicher Sprachen ermöglicht ein potenziertes Wohnerlebnis.

In auf- und anregender Weise verdeutlicht dieser Anbau, wie die Zukunft aussehen wird: der Fokus für die Bautätigkeit wird sich verschieben. Aufgrund von steigenden Energie- und Rohstoffpreise drängt es den Sektor zu Nachhaltigkeit und zu sparsamen Umgang mit den Ressourcen. Es wird in naher Zukunft günstiger sein, um- und anzubauen als neu zu bauen, doch bedeutet diese Entwicklung nicht unbedingt ein Weniger, denn die Herausforderungen an die Gestalter bleiben extrem interessant und die Lösungen können im besten Fall eine Vervollkommnung sein. 

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